Orakeln mit dem I Ging

23.12.2023 I Christiane Witt

Manche schmieden an Silvester Pläne, was sie alles im neuen Jahr erleben möchten, andere fassen gute Vorsätze, die sie am 2. Januar bereits vergessen haben ;-) und wieder andere möchten wissen, was in der kommenden Zeit auf sie zukommt. Aus diesem Grund wurde früher in vielen Familien an Silvester Blei gegossen. Sie erhofften sich, so einen Blick in die Zukunft zu erhalten.

Was ist das I Ging?

In China und mittlerweile auch im Westen nutzen die Menschen eine andere Art der Weissagung. Um auf Schicksalsfragen eine Antwort zu erhalten, lesen sie im I Ging, einem der ältesten und wichtigsten Weisheitsbücher überhaupt. Wörtlich übersetzt heißt es Buch (Ging) vom Werden und Vergehen (I), was die zentrale Idee der chinesischen Philosophie enthält: Alles ist in Bewegung. Es wurde bereits von den chinesischen Kaisern nicht nur als Weisheitsbuch, sondern auch als Orakelbuch genutzt.

Das I Ging, auch das Buch der Wandlungen genannt, geht auf Fu Xi, den legendären König, zurück (ca. 5000 v.Chr.). Er hat die 8 Trigramme und daraus resultierend die 64 Hexagramme entwickelt, indem er unzählige Phänomene im Himmel und auf Erden auf diese Symbole reduzierte. In Europa wird das System der Hexagramme als Analogie zum Dualsystem angesehen.

Niedergeschrieben wurden die Texte im I Ging allerdings erst von König Wen (ca. 1.150 v.Chr.).

Wie sieht ein Hexagramm aus?

Ein Hexagramm setzt sich aus zwei Trigrammen und die wiederum aus jeweils drei durchgezogenen bzw. unterbrochenen Linien zusammen. Die durchgezogene steht für den yang und die unterbrochene für den yin-Zustand. Die daraus resultierenden 8 unterschiedlichen Anordnungen stehen für bestimmte energetische Eigenschaften und Kräfte: Himmel, Erde, Feuer, Wasser, Donner, Wind, See und Berg.

Man versteht die Hexagramme am besten als etwas, das kosmische Einflüsse symbolisiert, also ungesehen ist, aber trotzdem Einfluss auf die Erde und damit auch den Menschen nimmt.

Im I Ging sind 64 Hexagramme mit 6 Yin-Yang-Linien dargestellt, was 384 Möglichkeiten der Interpretation ergibt.

Was steht im I Ging?

Das Buch der Wandlungen ist eine Sammlung von Moralpredigten, die astronomischen Erkenntnissen und dem konfuzianischen Weltbild entsprechen. Es gibt einem allgemeine Empfehlungen für richtiges Verhalten.

Die Zitate aus dem I Ging, die man in konfuzianischen Tempeln gefunden hat, handeln alle davon, die Kraft des Menschen zu nutzen, um in der Welt Gutes zu tun. Im I Ging geht es um Selbsterkenntnis, die es einem ermöglicht, durch sein Verhalten seine Zukunft beeinflussen zu können. Es gibt Orientierung und zeigt, dass man seinem Schicksal nicht einfach ausgeliefert ist, sondern dass man Einfluss auf sein eigenes Leben nehmen kann.

Wie kam das I Ging in die westliche Welt?

Richard Wilhelm (1873-1930), der bekannte europäische Entdecker der geistigen Welt Chinas, hat das I Ging in 11 Jahren Arbeit ins Deutsche übersetzt. 1924 veröffentlicht, wurde somit das alte Wissen auch in den Westen gebracht. Hierzu gibt es einen sehr interessanten Film von seiner Enkeltochter: Richard Wilhelm und das I Ging – Wandlungen – Ein Film von Bettina Wilhelm

Seither nutzen es nicht mehr nur die Chinesen:

Der bekannte Schweizer Psychiater und Begründer der analytischen Psychologie, Carl Gustav Jung, soll das I Ging in der Therapie eingesetzt haben. Herrmann Hesse war ebenso fasziniert und tief beeindruckt von den Texten, wie die Popgröße Bob Dylan. Und Gottfried Wilhelm Leibniz fühlte sich in der Entwicklung seines Binärsystems bestätigt.

Wie nutzt man das I Ging als Orakelbuch?

Man kann das I Ging als Weisheitsbuch oder Orakelbuch nutzen. Die Texte sind allerdings nicht einfach zu verstehen und brauchen schon etwas Übung zur Interpretation. Als ich mich damit zum ersten Mal auseinandersetzte, half mir nicht nur mein Feng Shui Wissen, sondern vor allem ein Arbeitsbuch zum I Ging.

Es existieren unterschiedliche Methoden des Orakelns, z.B. eine mit Quadranten, eine mit vorgegebener Teilung von Schafgarbenbündel oder eine mit dem wiederholten Wurf von drei Münzen. Letztere ist die einfachste und gebräuchlichste.

Allen voran steht jedoch immer eine ausformulierte Schicksalsfrage, die nicht einfach mit ja oder nein beantwortet werden kann. Die Antwort, die man im I Ging erhält, ist nie im Sinne von du sollst dies oder jenes tun, sondern stößt bildhaft einen neuen Denk- oder Verständnisprozess an. Oft erhält man eine Handlungsanweisung, wie z.B. „Überquere das Meer und frage den Meister!“, was bedeutet, dass man sich Hilfe von außen holen soll.

Beispiel für die Befragung des I Ging:

Frage: „Was passiert, wenn ich in der bestehenden Beziehung bleibe?“

Münzorakel: Drei Münzen werden sechs mal hintereinander geworfen. Dabei ergeben sich unterschiedliche Kopf-Zahl-Konstellationen, die darüber Auskunft geben, ob es sich um eine yin oder yang-Linie handelt. Das daraus entstehende Hexagramm verbirgt die Antwort auf die vorher gestellte Frage. Hier könnte es das Hexagramm Lü sein.

Text im I Ging und Interpretation: Das Trigramm Li (Feuer) steht über dem Trigramm Gen (Berg). Das entstandene Hexagramm heißt Lü (Der Wanderer)

Der Berg steht für die Unbeweglichkeit, während das Feuer für Klarheit und Suche nach Neuem brennt. Der Wanderer kann ein Hinweis darauf sein, dass es Zeit zum Aufbruch und zur Veränderung ist, sonst droht Stagnation oder gar das Erlöschen der Energie.

Im Yuen Hom Feng Shui arbeitet man übrigens auch mit Hexagrammen, die auf dem Kompass angeordnet sind.

Wenn du wissen möchtest, was dich im neuen Jahr erwartet, dann kaufe dir am besten die deutsche Übersetzung des I Ging von Richard Wilhelm und dazu das Arbeitsbuch und probiere es einfach mal aus.